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Die Queerfront

Die Queerfront

Eine Drag-Queen-Vorlesung für Kinder in einer Münchner Stadtbibliothek war der Auslöser für das hitzige Aufeinandertreffen mehrerer unversöhnlicher Gesellschaftslager.

Unter bunten Fahnen, bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen erlebte ich die für mich bislang bedrohlichste Demonstration in Post-Coronazeiten. Dieses persönliche Fazit stelle ich dem Erfahrungsbericht voran, um die Dramatik dieser Protestkonfrontation gebührend zu unterstreichen.

Für diesen Bericht habe ich den provokanten Titel „Die Queerfront“ gewählt, angelehnt an den historisch belasteten Begriff „Querfront“. Ich weiß um die „triggernde“ Wirkung dieses Titels, habe mich aber dennoch für diesen entschieden. Eine „Front“ definiert der Duden auch als eine „Gruppe, die (sich) jemandem oder einer Sache Widerstand entgegensetzt, sich kämpferisch für etwas einsetzt“. Und nichts anderes trug sich am Dienstagnachmittag, dem 13. Juni, beim Münchner Arabellapark vor der Stadtbibliothek Bogenhausen zu.

Mitglieder und Unterstützer der Queer-Bewegung hatten eine solche Front nach oben genannter Definition gebildet und einer in der Minderheit befindlichen Gegendemonstration regelrecht die Hölle heiß gemacht. Das „kämpferische“ hat sich glücklicherweise weitestgehend auf das Verbale beschränkt. Neben einer Rangelei am Ende der Veranstaltung gab es ein buntes „Konfetti-Attentat“ auf Teilnehmer der Gegendemo. Ob des hochgradigen Aggressionspotenzials ist die Frage zu stellen: Bleibt es zukünftig bei Konfetti?

Doch was war eigentlich der Ursprung dieser Konfrontation gewesen? Am Dienstag dem 13. Juni um 16.00 Uhr hatte die Münchner Stadtbibliothek Bogenhausen eine Veranstaltung organisiert mit dem Titel „Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt“. In dem Veranstaltungstext heißt es:

„Drag Queen Vicky Voyage mit Drag King Eric BigClit und die trans*Jungautorin Julana Gleisenberg nehmen euch mit in farbenfrohe Welten, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben für euch bereithält und dass wir alles tun können, wenn wir an unseren Träumen festhalten!

Sie lesen aus Bilderbüchern vor, die von den unterschiedlichsten Held:innen erzählen: Jungs in Kleidern, Prinzessinnen mit ihrem eigenen Willen, den Farben Blau und Rosa, von Kaninchen und Füchsinnen, dem Entdecken der eigenen Freiheit und vielem mehr.

Bei der Veranstaltung wird aus folgenden Titeln vorgelesen:

Marlon Bundo / Jill Twiss: Ein Tag im Leben von Marlon Bundo
Kerstin Brichzin / Igor Kuprin: Der Junge im Rock
Barbara Müller / Ann-Kathrin Nikolov: Flora und der Honigkuss
Ludovic Flamant / Jean-Luc Englebert: Puppen sind doch nichts für Jungen
Julana Gleisenberg: Julana, endlich ich

Freut euch auf unsere farbenfrohe Leserunde und tauscht euch im Anschluss gerne mit unseren Vorleser:innen aus!

Bilderbuchkino und Lesung für Familien mit Kindern ab 4 Jahren“

Bereits im Juli 2022 hatte eine fast gleich lautende Veranstaltung mit fast den gleichen Vorlesern stattgefunden. Jedoch hatte diese in der — politischen — Öffentlichkeit keinerlei Aufmerksamkeit erregt, was vielleicht auch dem Umstand geschuldet war, dass 2022 kein Wahljahr gewesen ist.

Jedenfalls wäre eine solche Veranstaltung, bei der ein Eric BigClit — der Name ist schon nicht kindgerecht — vor Vierjährigen auftritt, etwa im Jahr 2017 noch undenkbar gewesen. Doch seit der Realitätskernschmelze ab 2020 scheint nichts mehr undenkbar zu sein.

Gegen diese Veranstaltung regte sich in München Widerstand vonseiten außerparlamentarischer Oppositioneller, die aus der Coronazeit hervorgingen. Darunter die sogenannten „UlliOma & Friends“, „Studenten stehen auf“ und „Kinder stehen auf“. Auf parteilicher Ebene mobilisierte der Subversion-Blitzableiter, also die AfD, gegen die Vorlesung.

Gegenstand der Kritik war die befürchtete Schädigung der natürlichen, gesunden, frühkindlichen Entwicklung durch Frühsexualisierung. Ebenso wurde scharf kritisiert, dass über derlei Veranstaltungen der Weg für die Normalisierung von Geschlechtsumwandlungen und Therapien geebnet werde.

So schrieb etwa die Münchner Gruppe von „Studenten stehen auf“:

„Unter dem Deckmantel von Toleranz und Offenheit sollen Kindern nicht altersgerechte Inhalte aufgezwängt werden. Diese schockieren und schaden ihrer natürlichen Entwicklung nachhaltig. Wir von Stauf München setzen uns für die freie Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit ein. Zu diesem Zweck sind weder operative Eingriffe noch Hormonbehandlungen zur Geschlechtsumwandlung notwendig!“

Von Seiten der Veranstalter und Verteidiger wurde argumentiert, die Vorleseinhalte seien kindgerecht. Die von der gegnerischen Seite aufgeführten Beispielbilder seien aus dem Zusammenhang gerissen und würden nicht den Inhalt der kindgerechten Vorlesung widerspiegeln.

Zur Verteidigung dieser Veranstaltung bildete sich ein großes Bündnis aus Grünen, SPD, queeren Organisationen und dem Verein „München ist bunt!“. Letzterer schrieb als Ankündigung:

„München ist bunt! veranstaltet eine Solidaritätsdemo für die Lesung von Drag Queen Vicky Voyage mit Drag King Eric BigClit und trans*Jungautorin Julana Gleisenberg am 13. Juni ab 15:30 Uhr vor der Münchner Stadtbibliothek am Rosenkavalierplatz 16.

Wir fordern ein Ende der Hetzkampagne gegen die geplante Drag-Lesung in München.

Seit Bekanntgabe der Lesung wird von Freien Wähler, AfD und CSU massiv gegen die Veranstaltung geschossen: es wird rechte Rhetorik benutzt, um Ängste und Vorurteile zu schüren, von ‚Kindeswohlgefährdung‘, ‚Indoktrination‘, ‚woker Frühsexualisierung‘ oder gar ‚Pädophilie‘ ist die Rede.“

Der Grundstein für ein hitziges Aufeinandertreffen war gelegt.

Im Regenbogenhexenkessel

Die Polizeipräsenz vor der Bibliothek war beachtlich. Mehrere dutzend Polizeibusse parkten an der Stadtbibliothek und um sie herum. Diese seien nach leitmedialer Darstellung zum Schutz der Vorlesung da. Im weiteren Verlauf des Nachmittags sollte sich zeigen, dass die Polizei letztlich zum Schutz der Gegendemo aktiv werden musste.


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Mehr Polizei als bei einem Staatsempfang



Bereits auf der U-Bahnanfahrt wurde ersichtlich, dass diese Demos keine kleine Randerscheinung sein würden. Die Waggons waren gefüllt mit jungen Menschen, die ihrem bunten Erscheinungsbild nach unverkennbar auf dem Weg zur Verteidigungsdemo waren. Die dabei zu belauschende Mundart war erstaunlich, denn diese war irgendwie auch queer und „trans lingual“.

Kaum ein Satz, der ohne ein englisches Wort auskam. Englische Wörter wurden einfach willkürlich in den Satzbau transplantiert. Wir haben es offenkundig mit einer Generation zu tun, der die Sprache geraubt wurde und denen entsprechend auch die Begriffe fehlen, um die Welt begreifen zu können.

Verschwimmende Grenzen und Eigentore

Angekommen in der Betonhölle des Rosenkavalierplatz wurde schnell erkennbar, dass dies keine Wohlfühlveranstaltung werden würde. Die südliche Hälfte des Platzes mussten sich die außerparlamentarische Opposition — durch ein Absperrband getrennt — mit der AfD teilen, während die nördliche Hälfte am Fuß der Bibliothek für die queere Veranstaltung reserviert war. Im Laufe des Nachmittags sollten diese Grenzen noch enorm verschwimmen.


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Während alle Veranstalter der Gegendemos zusammengerechnet etwa hundert bis zweihundert Menschen mobilisieren konnten, brachte die Queerfront knapp tausend Menschen auf die Straße. Das Größenverhältnis war somit sehr ungleich.

Daher bildete sich im nördlichen Teil ein ganzer Urwald aus bunten Fahnen, der südliche Teil blieb hingegen recht kahl. In dieser Hälfte dominierte die AfD, die das Thema für ihren Wahlkampf kaperte und wie schon am vergangenen Wochenende in Erding ihre systemerhaltende Funktion als Oppositionsbesudler zur Schau stellte.

Der ganze restliche Teil der Gegendemonstration wurde von ihren Gegnern mit der AfD vermengt, folglich als „rechts“ deklariert und diffamiert und damit in die politisch kontaminierte Ecke entsorgt.

Die fluide räumliche Abgrenzung zwischen beiden Gegendemos tat ihr übriges. Nicht nur, dass die außerparlamentarische Opposition nur durch ein flattriges Absperrband von der AfD getrennt war — im weiteren Verlauf kam es sogar zu einer Kooperation, als bei der AfD der Stromgenerator versagte.


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Anstatt diese Gelegenheit beim Schopf zu packen, das Thema an sich zu reißen, und es nicht dieser Partei zu überlassen, begab sich die Veranstalterin von „UlliOma & Friends“, Ulrike Pfeffer, auf polit-suizidale Weise auf die AfD-Bühne und sprach von dort.

Falls es jemals Brücken zwischen beiden Seiten gegeben haben sollte, waren diese spätestens jetzt verbrannt. Das einseitige Dialogangebot der Gegendemo an die Verteidigerdemo ging in brachialen „Haut ab“-, „Eure Kinder werden so wie wir“- oder „Ganz München hasst die AfD“-Rufen unter.

Schon in Coronazeiten bewies Ulrike Pfeffer auf ihren wöchentlichen Demos, dass sie zwar das Herz am rechten Fleck hat, aber bedauerlicherweise keinerlei Gespür für Rhetorik, verbale Eigentore und das unfreiwillige Untermauern gegnerischer Vorurteile. So lieferte sie auch an diesem Tag der anderen Seite wieder etliche Steilvorlagen. Auf die „Halt‘s Maul!“-Rufe empörte sie sich am Mikrofon zurecht, doch gab im Anschluss gleich zum besten, dass ihre Kinder „a Watsch‘n“ (hochdeutsch: „Ohrfeige“) kassieren würden, würden diese das zu ihr sagen. Nun, zu befürworten, dass man Kindern in bestimmten Situationen „a Watsch‘n gibt“, ist nichts anderes als „Kinder zu schlagen“ und damit ein absolutes No-Go. Und nicht gerade glaubwürdig macht man sich damit als selbsternannte Kinderschützerin.

Buntes Schwarzweißdenken

Entgegen der selbst proklamierten Toleranz und Offenheit war etlichen Teilnehmern der bunten Demo der Hass oder zumindest die blinde Wut ins Gesicht geschrieben. Selbst wenn dieses Gesicht — wie vielfach zu sehen war — immer noch (!) und bei diesem Wetter durch eine (FFP2)-Maske bedeckt war. Die Augen lügen bekanntlich nicht. In manchen Gesichtern war ein regelrechter Wahn abzulesen. Stellenweise konnte man sich — gerade wenn es um die Beschimpfung älterer Menschen ging — nicht des Eindruckes einer Kulturrevolution verwehren.


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An einen Dialog war schlicht nicht zu denken. Niedergebrüllt wurden sämtliche, notwendig zu diskutierende Argumente der Gegendemo. Etwa, dass die Selbstmordrate bei — jungen — Menschen nach einer Geschlechtsumwandlung alarmierend hoch ist oder dass nach einem solchen Eingriff eine lebenslängliche Abhängigkeit von der Pharmaindustrie besteht.

Aber gut, diese Industrie genießt spätestens seit Corona in der linken Kapitalismuskritik eine unerklärliche Immunität.

Wie oben bereits erwähnt, verschwammen bei diesen Demonstrationen die Grenzen. Nicht nur zwischen der außerparlamentarischen Opposition und der AfD, sondern auch einseitig zwischen der bunten Verteidigerdemo und der Gegendemo. Zunehmend bemerkten die Aktivisten von Antifa und Queerorganisationen die gnadenlose Unterzahl der Gegendemonstranten. Entsprechend schmolz die Scheu davor, sich diesen zu nähern oder gar störend einzugreifen. Das „Konfetti-Attentat“ wurde weiter oben schon erwähnt. Regelrecht eingekesselt wurde die Gegendemo von der bunten Menge. Die Furcht vor körperlichen Übergriffen lag spürbar in der Luft.

Der Presse waren einige Vertreter der Antifa und Queerorganisationen alles andere als freundlich oder neutral gesonnen. Der Sender Auf1 war mit einem Sprinter und einem Info- und Werbematerialstand vor Ort. Einige Aktivisten entwendeten dem Auf1-Mitarbeiter gewaltsam Werbematerial, während die Polizei nur halbherzig eingriff.

Ein besonders finster gekleideter Antifa — dunkler Anorak, schwarze Maske, Sonnenbrille und Basecap — versuchte mich vom Fotografieren abzuhalten, indem er die Hand vor die Linse meiner Kamera hielt. Ein Kollege kam ihm zu Hilfe und hielt einen aufgespannten Regenschirm gegen meine Kameralinse.

Ich insistierte, hielt ihm meinen Presseausweis unter die maskierte Nase und sagte ihm, dass ich Pressevertreter sei — er reagierte nur, indem er mir ein „egal“ entgegengrunzte. Im weiteren Verlauf war genau dieser Aktivist in eine Rangelei verwickelt, bei der schließlich auch verhaftet wurde. Auslöser war, dass der in München bekannte Demoreporter Helge Spunkt mit seinem Multikamera-Stativ in den Bereich der Antifa vordrang, dort die Gemüter erhitzte, sodass einige Aktivisten auf ihn losgingen und anschließend einige Polizisten in schwerer Montur in die Menge rannten, um für Ordnung zu sorgen. Es entstand ein wildes, unübersehbares Getümmel, bei dem Menschen zu Boden fielen und Handschellen klickten.


Von Friedfertigkeit keine Spur.



Wundersamerweise vollständig unbeschadet kam die Riege an konservativen YouTubern davon, die extra aus Berlin angereist war. Die Delegation bestand aus Dr. Seuch, Eingollan und dem Ketzer der Neuzeit. Diese verstanden es, die Stimmung in dem Hexenkessel etwas aufzulockern. Dass sie ungehindert ihre Videos drehen konnten, ohne großartig gestört oder gar angegriffen zu werden, grenzt fast an ein Wunder.

Nachgeschmack

Ein Regenbogen hat naturgemäß einen Anfang und ein Ende. Doch hier an diesem Platz befand sich fast jeder in einer scheinbar unentrinnbaren Regenbogenschlinge. Da stellte sich die Frage: Wie verlässt man nun diesen Ort? Ob des hohen Grads an Aggression der anwesenden Demonstranten war diese nicht leicht zu beantworten. Am Rosenkavalierplatz „genoss“ man noch den Schutz durch die Polizei. Doch was würde passieren, wenn man nun abseits des Austragungsortes in Abwesenheit von Polizeieinheiten auf die Demonstranten treffen würde? Zuzutrauen war diesen so einiges.

Doch bevor ich das weiter ausführe, möchte ich noch auf eine weitere Beobachtung näher eingehen, die zwischen den Zeilen des obigen Absatzes mitschwingt. Ist es nicht bemerkenswert, dass ich — und sicherlich nicht nur ich — in dieser Szenerie die Nähe zu den Polizeitruppen suchte? Jene Polizisten, die vor etwas mehr als einem Jahr noch einen — vorsichtig ausgedrückt — rauen Umgang mit der Corona-Opposition pflegten.

Ist es tatsächlich soweit gekommen, dass eine Gruppe mit Regenbogenfarben mittlerweile bedrohlicher wirkt als eine Polizei-Hundertschaft in schwarzer Vollmontur?

Tatsächlich gelang es mir, mich unbeschadet vom Ort der Demonstrationen zu entfernen. Da „Studenten stehen auf“ sich darauf verständigt hatten, in weißen Oberteilen zu erscheinen, fiel ich mit meinem weißen Manova-Polohemd direkt in das „Suchprofil“. So stahl ich mich unbemerkt in eine angrenzende Drogerie, begab mich in eine Regalreihe zwischen Babybrei und Haushaltskram und fischte — nachdem ich mich vergewisserte, dass ich von niemanden beobachtet wurde — meine dunkle Trainingsjacke aus der Tasche und zog diese über mein weißes Oberteil. So war zumindest schon mal die Signalfarbe verdeckt und mein äußeres Erscheinungsbild verändert. Dadurch gelang es mir, mich ohne einen Zwischenfall in die U-Bahn zu begeben.

Am Hauptbahnhof angekommen ging ich durch die Haupthalle und erblickte über dem Ausgang eine überdimensionale Regenbogenflagge. In diesem Moment wurde ich mir der Symbolmacht dieser Farben bewusst, die das Zeichen der heutigen Leitideologie sind. Bereits in meinem Artikel „Politische Überwältigung“ vom Mai 2022 legte ich ausführlich dar, warum diese und ähnliche Symbole im öffentlichen Raum nichts verloren haben, weil dadurch die gesellschaftserhaltende Neutralität ebendieses Raumes nicht mehr gewährleistet ist.

Im Pride-Month ist diese Neutralität komplett flöten gegangen. Regenbogenfarben wohin man auch blickt. Doch nach dieser Veranstaltung werde ich diese Farbkombination nie wieder mit den gleichen Augen sehen, nachdem ich Zeuge wurde, welche Aggressivität und Intoleranz sich potenziell dahinter verbirgt. Das war sicherlich niemals das Ansinnen der historisch-originären Schwulen- und Lesbenbewegung gewesen. Die Regenbogenfarben haben in ihren Ursprüngen die Emanzipation der Gay-Community symbolisiert. Dass sie mit Furcht und ideologischem Inhalt aufgeladen werden, war und ist sicherlich nicht im Sinne jener Initiatoren von damals.

Es muss konstatiert werden, dass diese Zeichen — analog zur Umweltbewegung — vom System gekapert und pervertiert wurden, verbunden mit enormen Rückschritten für das jeweilige Grundanliegen.

Im jungen 21. Jahrhundert waren — zumindest in den urbanen Regionen — Schwule, Lesben et cetera weitestgehend akzeptiert und anerkannt. Doch die Kaperung durch das System führt dann letztlich zu dem genau gegenteiligen Effekt — die Akzeptanz für jene Gruppen ist wieder im Schwinden begriffen. Die aufdringliche, omnipräsente Beflaggung des öffentlichen Raums in Regenbogenfarben sowie des aggressiven Einzugs der Gendersprache in öffentlichen Aushängen und Schriftstücken evoziert zunehmend eine Ablehnung bei jenen, die sich zuvor nicht an der Community gestört haben.

Statt Toleranz und Gleichheit bringt dieser Regenbogenkult Spaltung, Hass und komplette Verwirrung hervor und schadet letztlich denen, deren Rechte zu verteidigen er vorgibt. In Gedanken an die bunten Demonstranten stellt sich mir die Frage: Kann man mit diesen je wieder an einen Tisch kommen? Wird es je wieder möglich sein, als Andersdenkender mit diesen Menschen ein Bier zu trinken und über Meinungsverschiedenheiten respektvoll zu diskutieren? Wird es je wieder eine Besinnung geben, einen moderaten Mittelweg zwischen Pride- und Stolzmonaten?

Es bleibt zu hoffen. Denn das, was sich an diesem Tag vor der Bibliothek abspielte, waren latente Ansätze eines Bürgerkriegs. Im Außen beteiligt sich Deutschland bereits indirekt an einem Krieg. Es darf nicht auch noch im Inneren einer ausbrechen. Egal unter welcher Flagge.


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